Die Hessenregatta ist eine von einem hessischen Segelverein veranstaltete Regatta, die in der Ostsee ausgetragen wird. Auch 15 nicht hessische Boote dürfen hierbei an den Start gehen, darunter auch wir mit unserer Sturm Stina. Da der gewöhnliche Hesse allerdings kein Ostseegängiges Schiff besitzt, chartern sich die meisten Crews ihre Schiffe in Heiligenhafen und Burgtiefe. Das ganze ist also als Spaß- und Fahrtenregatta anzusehen und scheint erstmal der perfekte Wiedereinstieg in die Regattawelt für uns mit unseren beiden Kindern an Bord.
Zur Steuermannsbesprechung erscheint der Hesse perfekt vorbereitet mit Hefter, allen Ausdrucken und Kugelschreiber zum notieren. Die erste wichtige Regel, das Startschiff gilt als Hindernis. Diese Regel soll der Sicherheit des Startschiffes dienen, verwundert uns jedoch etwas, da man sich dann beim Start ja ohne Probleme noch reindrängeln kann und Raum am Hindernis fordern könnte. Diese Überlegung erübrigt sich beim Start am nächsten Tag sofort. Es wird auf Vorwindkurs gestartet und die Startlinie ist etwa 500 m lang. Die insgesamt 36 teilnehmenden Boote verteilen sich auf 4 Startgruppen, aufgeteilt in langsame/schnelle Charterboote und langsame/schnelle Eignerboote. Erfolglos halten wir nach Flaggensignalen Ausschau, da das Startsignal am Ende der Startlinie nur schwer zu hören ist. Plötzlich sind wir unsicher, ob wir uns nicht doch in der Startzeit vertan haben, aber als ein Schiff pünktlich 10:10 die Startlinie passiert, trauen wir uns auch und der Rest der Gruppe folgt uns gemächlich nach. Bei späterer Nachfrage an die Regattaleitung warum nicht wie angekündigt Flaggensignalen zu sehen waren, erhalten wir die Antwort, dass man Flaggen ja sowieso nicht sieht und dass Flaggensignale ohnehin wenig sinn machen. Eine für Regattasegler neue Einstellung, aber unser Motto lautet: nicht aufregen, wir segeln eine Spaßregatta.
Ziel des ersten Tages ist Gedser. Kurz hinter Fehmarn hängen die Spinnaker schlaff am Mast herunter, alle stehen in einem Flautenloch. Wir haben Glück und treiben mit etwas Wind im Süden an einigen Schiffen vorbei. Nach einem kurzen Auffrischer wartet das nächste Flautenloch, in dem diesmal die etwas nördlicher liegenden Boote bevorteilt sind. Doch lange lässt der Wind uns nicht im Stich und weht uns dann mit achterlichen 12 Knoten konstant bis ins Ziel. Eine weitere Eigenart der Hessen, die wir bis zum letzten Tag nicht durchschaut haben: das Ziel befindet sich 6 Seemeilen vor Gedser, sodass man nach Zieleinlauf noch eine Stunde bis in den Hafen segelt. Wir bringen uns in einem der hinteren Stege in Sicherheit und beobachten dann über eine Stunde vom Spielplatz auf der großen Wiese aus das Hafenkino der Charteryachten beim anlegen, wobei man manchmal lieber wegschaut.
Am zweiten Tag soll es nach Stubbeköbing gehen. Gestartet wird erst um 11 Uhr, denn vorher sei kein Wind so heißt es von der Wettkampfleitung (hessischer Ausdruck für Wettfahrtleitung, der die Ernsthaftigkeit unterstreicht). Zumindest scheinen die angesagten 7-8 Knoten Wind nicht ausreichend zum segeln zu sein. Nach hessischer Eigenart liegt der Start 5 Seemeilen vor Gedser und das Ziel 7 Seemeilen vor Stubbeköbing, aber wir bleiben entspannt, es ist ja eine Spaßregatta. Diesmal starten wir pünktlich mit dem Startsignal und müssen auf Amwindkurs zunächst noch eine Wegetonne passieren, bis wir Wenden können mit Kurs auf Stubbeköbing. Nach der Wende stellen wir ärgerlich fest, dass wir überhöhe zur Tonne ersegelt haben, jedoch haben wir so viel Strom von der Seite, dass sich unsere Vermutung nicht bestätigt und wir letztendlich mit 2 m Abstand die Bahnmarke passieren. Der Rest des Tages verläuft entspannt weiter auf Amwindkurs bis kurz vor dem Ziel. Verwundert stellen wir fest, dass die Schiffe weit voraus nochmal einen Kreuzschlag zur Ziellinie machen müssen. Zunächst denken wir die Schiffe haben zu viel Höhe verschenkt, bis uns ein Licht aufgeht: noch immer starker Strom von der Seite. Also halten wir vor, doch trotzdem müssen auch wir noch einen kleinen Verholer vor der Ziellinie machen, so stark ist der Strom. Im Hafen werden die Grills angeworfen und man sitzt nett zusammen und lernt die anderen Crews kennen.
Start um 08:00 Uhr am dritten Tag. Da die Startlinie wie gewöhnlich wieder 7 sm vom Hafen entfernt liegt heißt es früh aufstehen. 06:15 Uhr legen wir ab. Schon nach kurzer Zeit stellen wir Fest, dass wir mit unserem schwachen 9 PS Motor nicht rechtzeitig an der Startlinie sein werden. Also setzten wir die Segel und überholen mit 7 Knoten auf spitzem Halbwindkurs die anderen Schiffe im Fahrwasser die zum Start motoren. Man bemerke an dieser Stelle, dass der gewöhnliche Hesse Grundsätzlich immer zur Startlinie motort, egal aus welcher Richtung und mit welcher Stärke der Wind weht. 10 Minuten vor dem ersten Start kommt die Ankündigung über Funk: Startverschiebung, es wird noch auf alle Schiffe gewartet, die es noch nicht rechtzeitig zum Start schaffen werden, da man zu spät aufgestanden ist. Wir atmen tief durch und sagen uns nicht aufregen, wir segeln eine Spaßregatta. Trotzdem ist es ärgerlich, denn durch die starke Welle im Sund ist Jonte schlecht geworden. Nachdem dann gestartet wurde, geht es Jonte schnell besser. Wir können den Gennaker setzen und rauschen mit den Wellen Richtung Kühlungsborn. Da der Kurs noch sehr spitz ist, haben wir anfangs noch mit einigen Sonnenschüssen zu kämpfen. Ein Blick nach hinten ins Regattafeld zeigt, dass wir nicht die einzigen sind, viele Gennaker flattern, die meisten haben noch keinen gesetzt. Nach der Südspitze von Gedser fallen wir etwas ab zur Fahrwassermitteltonne des Lübeck-Gedser-Weges, die Backbord bleiben muss. Mit inzwischen über 10 Knoten Fahrt und Sonnenschein ist es ein herrlicher Segeltag. Nach der Tonne wird wieder ein bisschen angespitzt mit Kurs zum Ziel in Kühlungsborn. Eine Comfortina 42 droht uns in Luv überholen zu wollen. Kurz bevor sie uns den Wind nimmt, fliegt deren Spinnaker beidseits aus den Lieken und weht nach hinten aus. Das Problem hat sich also von alleine gelöst. Im Ziel hören wir auch von anderen Regattateilnehmern über gerissene Segel, Kollisionen mit Mittelfahrwassertonnen und Problemen beim mittigen Passieren eines Schleppverbandes, was Gottseidank noch gut ausgegangen ist. An unserem Steg wird gegenüber eine Harfe an Deck gebracht und die sanften Klänge bestätigen nochmal unsere Einschätzung wie die Hessen zum Regattasegeln in der Ostsee stehen. Für uns war es heute ein wirklich gelungener Tag, denn wir haben als kleinstes Schiff der Regatta den Tagessieg ersegelt.
Am Abend ist wichtigstes Thema der Steuermannsbesprechung das Europapokalspiel am nächsten Tag. Mit Ziel Burgtiefe ein kurzer Segelschlag, wäre da nicht eine lange Flaute direkt nach dem Start. Der Wind lässt so weit nach, dass plötzlich Gefahr droht man könne das Fußballspiel um 21:00 Uhr verpassen. Doch der Windgott meint es nochmal gut mit den Hessen und lässt alle bis zum späten Nachmittag noch ankommen, sodass man geschlossen den Sieg der Frankfurter Eintracht bejubeln kann.
Am nächsten Tag wird die Wettfahrt abgesagt, denn am Nachmittag ist unbeständiges Wetter angekündigt. Eine Bahnverkürzung scheint man nicht zu kennen oder aber der wahre Grund liegt darin, dass aufgrund der Siegesfeier auf den meisten Booten noch keine Segeltauglichkeit wieder hergestellt wurde. Nichtsdestotrotz überführen alle die Schiffe am Nachmittag nach Heiligenhafen, denn hier findet am Abend bei köstlichem Buffet im Kursaal die Siegerehrung statt. Wir gewinnen mit unserer Sturm Stina den 2. Platz in unserer Gruppe und den 4. Platz der Gesamtwertung. Unsere Kinder Jonte und Fenja bekommen von der Wettsegelgemeinschaft Edersee aus Anerkennung für die Teilnahme an der Regatta als einzige Kinder einen Opti Kurs auf hessischem Terrain geschenkt.
Unser Fazit: Eine perfekte Regatta für jeden, der nicht hoch ambitioniert Regatta segeln will oder noch wenig Erfahrung im Regattasegeln hat. Es herrscht eine lockere Stimmung und es bietet sich die Gelegenheit viele nette Menschen kennenzulernen.