Morgenstimmung in Rostock. Während die Sonne noch mit der Dämmerung ringt, schmeißen wir den Motor an. In Warnemünde gehen die Segel hoch und Wito in die Koje. Ja, wir überführen nach Helgoland. Erste Etappe: Kiel. Dort wollen wir Segel ausstauen und morgen früh in den Nord-Ostsee-Kanal einfahren. Aber die erste Etappe ist, wie so oft auf dem Weg nach Kiel, eine „Warum-mach-ich-das-eigentlich-schonwieder“ – Etappe. Kurze Wellen und gute 20 kn gegenan lassen den Einen oder Anderen doch mal Richtung Heckkorb wandern, sei es auch nur, um stundenlang nach Luv zu starren.
Bei Fehmarn werden wir vom Guardvessel „Builder“, den wir heimlich Bob taufen, darauf hingewiesen, dass wir in das, durch AIS-Tonnen ausgeschilderte Gebiet nicht einfahren dürfen. Das hebt unsere Laune ein wenig und doch sind wir alle froh, als wir gegen Abend in Düsternbrook einlaufen.
Während der ersten Etappe stellten wir fest, dass wir auf dieser Tour zwei Geburtstage zu feiern haben. Den ersten schon heute. Während wir die Fahrtensegel ausstauen, macht sich ein Teil der Crew auf, um für Marius schnell noch eine Karte und zwei wundervolle Kuchen zu organisieren.
Am nächsten Morgen können wir mit kleiner Besetzung starten, denn es steht ein ganzer Tag unter Motor an. Obwohl wir extra früh an der Schleuse sind, dürfen wir wegen Nebel nicht einfahren und Motoren eine gefühlte Ewigkeit auf und ab. Gut, dass ein Großteil der Crew noch schläft. Den Nebel können wir übrigens nicht finden.
Schließlich dürfen wir doch einfahren und lassen uns gleich vom ersten Signal verwirren. Wir halten dieses für ein rotes Funkellicht (Bedeutug: Einfahrt verboten), aber über Funk werden wir eines Besseren belehrt. Es handelt sich um ein Blinklicht und wir dürfen die Fahrt fortsetzen.
Der Trafficcontroller schimpfte noch über die Sportboote, als wir in den nächsten Abschnitt einfahren.
In der Zwischenzeit können wir das wunderschöne Schleswig-Holstein bewundern und auch wir werden immer wieder bestaunt. Denn es ist ein wunderschöner Tag. Kaum Wind und gar keine Welle. Perfekte Bedingungen, um die nassen Polster und Segel über das ganze Deck zu verteilen und trocknen zu lassen. So mancher würde sagen: „Die fahren da ja rum, wie die Hortkinder.“ Wer das Specktakel noch nachvollziehen möchte kann dies auf MarineTraffic tun, denn wir wurden auf Höhe Itzehoe von einem Schiffspotter abgelichtet.
Nach guten 10 Stunden lassen wir uns auf die Elbe schleusen und ziehen, sobald der Verkehr es zulässt, die Segel hoch. Um in Cuxhafen einfahren zu können, müssen wir gegen spektakuläre 5 kn Strom von Backbord steuern und halten entsprechend auf die Mole zu. Sowas müssen wir uns auf der Ostsee nie gefallen lassen.
In Cuxhafen treffen wir schon viele spätere Kontrahenten, wie zum Beispiel die Edelweiß und die Broaderview.
Während die meisten Segelschiffe den Hafen in aller Frühe verlassen, um an der Hinüberführungs-Regatta teilzunehmen, lassen wir uns etwas mehr Zeit und starten gemütlich gegen 8 Uhr. Es reicht noch, um mit dem ablaufenden Wasser aus den stärksten Strömungsgebieten herauszukommen und die Insel am frühen Nachmittag zu erreichen. Auf dem Weg können wir aber noch einem Bremen Rescue Hörbuch lauschen, im Regatta Feld vor uns hat sich unter Deck eine Schwimmweste mit AIS ausgelöst und für große Verwirrung gesorgt. Wir sind zu weit weg um helfen zu können, lauschen aber gebannt, wie AIS und SART verwechselt wird, eine Fähre mit 400 Tagesgästen, sehr zum Frust des Kapitäns umgeleitet wird und ein Seevogel nicht nur entdeckt, sondern auch gemeldet wird.
Auf Helgoland dürfen wir dann in einem beeindruckenden Päckchen aus etwa 15 Booten festmachen.
Wir gehen Spazieren, bringen die Nordseewoche-Aufkleber am Bug an, indem wir den Flieger am Fall und der Tack abseilen und freuen uns schließlich auf die morgige erste kleine Regatta, Rund Helgoland.
Wir legen zeitig ab und fahren schon mal die ersten Tonnen ab. Die Segelbedingungen sind schön. Ein südlicher Wind verspricht: Start unter Fock und nach den ersten zwei Tonnen geht der Gennaker hoch.
So schön so der Plan. Also ab hinter die Startlinie und unseren Gruppenstart abwarten. Gestartet wird zwischen der Düne und dem Hafen. Im Vorstart-Geplänkel können wir uns nur halb durchsetzen und spätestens als wir den Gennaker schon halb auf dem falschen Steuerbord angebaut haben ist klar: Wir müssen uns noch ein wenig eingrooven.
Unter Gennaker fahren wir uns in den Abwinden der Luffe Kerkyra fest und kriegen gleichzeitig in Lee Besuch von der Piranha. Die Situation klärt sich als wir an der nächsten Bahnmarke den Gennaker zu früh bergen und uns die beiden davonziehen. Die Situation wurde auch später noch diskutiert.
Im Norden der Insel dürfen wir nun halbwindig nach Osten ziehen, um schließlich am Wind wieder nach Süden zu segeln. Im großen Bogen umfahren wir die Düne und schließlich als 13.von 17 ins Ziel.
Am Ende des Tages ist klar: Das war keine Heldenleistung. Wir setzen uns abends zur Reflexion zusammen und stellen fest: Wir müssen nicht mehr, aber deutlicher miteinander kommunizieren, und aufpassen, dass auch jeder mitbekommt, was ansteht. Außerdem wird die beklemmende Situation unter Gennaker noch mal analysiert. Wir hätten uns dort so sehr freien Wind gewünscht…
Am Abend geht ein Teil der Crew noch in die Nordseehalle, weniger um sich die Siegerehrung anzuschauen, mehr um in den zweiten Geburtstag auf dieser Tour hinein zu feiern.
Während uns die Windvorhersage für den nächsten Start (Rund Skagen) Sorgen macht, weht am Abend noch ein kräftiger Wind aus östlicher Richtung. Drückt uns also vom Päckchen ab. Am Morgen dreht der Wind aber um 180°. Wir müssen, unter großem Einsatz, noch einen Fender einbringen.
Vom restlichen Tag bleibt dann gar nicht mehr soviel übrig. Wir müssen das Päckchen gegen 12:00 verlassen und gehen bei der Edelweiß längs. Um 14 Uhr ist Steuermannsbesprechung und nach dem wir unseren Reservekanister noch mit Diesel befüllt haben und alle nochmal die Örtlichkeit aufgesucht hatten, legten wir zur Regatta Pantaenius Rund Skagen ab.
Der Start ist so getimt, dass wir, wenn wir schnell genug sind, dem drohenden Tief gerade so davonfahren können, und gegen alle Erwartungen haben wir zum Start selbst nur wenig Wind.
Start ist, wie wir es schon geübt haben, zwischen der Düne und dem Hafen. Wir fahren ganz in Luv aber dafür gut in der Zeit drüber.
Der Volvo 70 Trifork, ein mit Foils nachgerüsteter Ocean-Racer, entscheidet sich als einziger aus der Flotte, Rechts um Helgoland herumzufahren. Wir aber biegen bei der Tonne nach backbord ab und ziehen den A2.
Schon bald sehen wir Trifork, weit weg von allen Konkurrenten, über den Horizont segeln.
Die Vorhersagen hatten mehr Wind versprochen und den sollten wir schließlich bekommen. Der Himmel zog sich zu und der Wind nahm Fahrt auf.
Bevor wir ins Wachsystem starten, bauen wir also den A4 Outside an. Leider haben wir keine Segellatte mehr auf dem Pole und so rutscht die Schot bei einer Halse darunter. Die Folge: wir müssen zurückhalsen, dabei kriegen wir den A4 nicht schnell genug wieder unter Kontrolle und er zerplatzt uns.
Naja, ärgern können wir uns später noch, jetzt muss der A5 hoch. Zu allem Frust fängt es auch an, zu regnen, und dieser Regen wird für die nächsten Tage unser ständiger Begleiter. Aber immerhin machen wir noch gut Fahrt nach Norden. Bis zum nächsten Grande Malheur: Kurz nachdem die zweite Freiwache zu Ende ging, drückt eine Welle das Heck nach Lee und wir schießen leicht in den Wind. Das Groß geht schön auf und die Situation scheint wieder unter Kontrolle, aber der A5 flattert weiter im Wind. TRIMM TRIMM TRIMM. Irgendwann will die Schot nicht mehr weiter und wir müssen realisieren: Die ist gar nicht mehr am Gennaker. Um ihn zu bergen, wird einmal gefährlich Platt vor den Wind gegangen und im Bugkorb nach dem Unterliek gefischt. Mit viel Glück und drei Mann auf dem Vorschiff haben wir die Situation, zumindest für ihren Schwierigkeitsgrad, relativ schnell wieder im Griff, aber der A5 hat trotzdem ein paar Risse abbekommen und scheidet damit für dieses Rennen aus. Gegen alle Erwartungen ist sowohl das Schothorn, wie auch der Tylaska intakt, letzterer hat sich wohl beim Schlagen geöffnet.
Ohne Vorsegel und mit dem Gewissen, dass wir gerade eine fast zwei Jahre anhaltende „Wir zerreißen keine Gennaker“ Zeit gleich doppelt beendet haben, dümpeln wir dem Feld hinterher. Es ist Nacht, es ist nass, wir sind langsam.
Am nächsten Morgen dreht der Wind Links und wir können endlich wieder ein Vorsegel setzen. Doch während wir die J3 setzen, stellen wir auch hier einen Schaden fest. Eine der oberen Segellattentaschen ist eingerissen. Ob wir das zu verantworten haben, oder ob wir sie schon so eingepackt haben, ist schwer zu sagen. Jedenfalls entscheiden wir, die Fock für die restliche Zeit zu schonen.
Nachmittags erreichen wir Hirtshals und am frühen Morgen dann Skagen, daran zu erkennen, dass auf dem Land scheinbar große Schiffe liegen. Die befinden sich natürlich auf der anderen Seite der Landzunge und liegen dort auf Rede.
Zu unserer großen Freude reißt der Himmel immer mehr auf, und der Regen lässt nach. Wir entscheiden, dass jetzt der passende Augenblick gekommen ist, um Hendriks Geburtstag nachzufeiern und so umrunden wir mit Tiramisu und guter Laune die nördliche Tonne.
Ab jetzt fahren wir wieder nach Süden. Da der Wind sehr unstet ist, stehen uns einige Segelwechsel zwischen der J2 und der J4 (und wieder zurück) bevor. Dabei fahren wir die J2 immer bis zur Schmerzgrenze und wenn wir dann feststellen, dass der Wind sich so wahrscheinlich für die nächsten 10 Minuten oder mehr hält, wechseln wir auf die J4. Umgekehrt warten wir auch sehr lange, bevor wir zurückwechseln. Die J3 fehlt uns doch sehr.
Um Læsø fahren wir außen herum, in der Hoffnung später mehr Wind ernten zu können und dem Feld mit der J4 doch nochmal auffahren zu können.
Wir kommen voran und lassen Anholt schon Nachmittags Backbord liegen. Gegen Abend parken wir dann aber doch ein. Die große Baelt Brücke ist noch nicht zu sehen, wohl aber das VTG davor, von dem wir uns natürlich brav fernhalten.
So manch einer im Feld kreuzt aber so knapp davor (oder darin) längs, dass wir die ganze Nacht dem Funkhörbuch zwischen Küstenfunkstelle und verwirrten Seglern lauschen können.
Von Schwachwindfeld zu Flaute und zurück, kommen wir der nächsten Sehenswürdigkeit, der großen Baelt Brücke immer näher und lassen sie am Vormittag noch hinter uns.
Am nördlichen Ende von Langeland lässt der Wind noch zu wünschen übrig und wir rätseln schon, wie viele Wenden es wohl diesmal werden. Doch der Wind meint es wohl gut mit uns. Denn als wir ihn finden, kommen wir mit einem Schlag an ganz Langeland vorbei. Aber für einen Anlieger zum Leuchtturm Kiel reicht es leider doch nicht.
Und dann ist es auch schon wieder geschafft. Nach 76 Stunden, 51 Minuten und 07 Sekunden fahren wir über die Ziellinie und freuen uns beim Anlegen schon auf das versprochene Abendessen.
Leider war das schon alle. Bier auch.
Also legen wir schnell wieder ab, um unsere Überführungssegel aus Düsternbrook abzuholen und dort noch eine Mütze (also 3 Stunden) Schlaf zu bekommen. Denn am nächsten Morgen wollen wir nach Rostock ablegen und dass möglichst früh. Es ist nämlich ein großes Flautenfeld ab Mittag bei Fehmarn angekündigt.
Und während wir morgens noch mit dem Fahrten-A2 aus der Kieler Förde schippern, dürfen wir ab Mittag bis kurz nach Mitternacht nach Rostock Motoren. Immerhin haben wir so schon unterwegs Zeit, das Boot aufzuklaren und können den letzten Sonnenuntergang dieser Reise genießen.
Wir danken unserem Verein, der Rostocker Volks- und Raiffeisenbank eG, der Rostocker VR- Versicherungskontor GmbH, Fleetmon, der Hanseatische Brauerei Rostock, der Segelwerkstatt Warnemünde und allen Unterstützern, dass wir an solchen großartigen Regatten teilnehmen können.
Die Uni-Crew