Nach einer Nacht hatten wir, verwöhnt vom einsamen Norden, genug vom quirligen Stockholm. Kurz nachdem wir am Sonntagmorgen noch ein neues Crewmitglied an Bord nahmen, legten wir ab und machten uns auf den Weg zur nächsten einsamen Bucht. Der Wind sollte sehr flau sein, deshalb planten wir einfach zu schauen, wie weit wir kommen und uns dann spontan für einen Übernachtungsplatz zu entscheiden. Die erste Herausforderung des Tages entstand aber nicht durch den Wind.
Nach einer Weile merkten wir, dass unser Bordkompass eine völlig andere Richtung anzeigte, als wir auf der Karte ablasen. Nachdem die Standardlösung – alle Systeme herunterfahren und neu starten – nichts brachte, wurden Sicherungen und Kabel kontrolliert, die Systemeinstellungen im Navigationsprogramm überprüft, über mögliche ablenkende Pipelines und Stromleitungen in der Umgebung philosophiert und spaßeshalber jeder aus der Crew gefragt, ob jemand einen Starkmagneten dabeihatte. Leider schlief eine Person. Und diese eine Person hatte ihre Tasche mit Kamera und Laptop genau vor dem Kompass platziert. In unserer eifrigen Fehlersuche hatten wir diese natürlich übersehen und räumten sie erst nach einer halben Stunde weg… Nachdem das geklärt war, mussten wir uns wieder mit voller Aufmerksamkeit den Stockholmer Wochenendausflüglern widmen. Diese sind in den engen Fahrwassern prinzipiell immer mit ca. 30 kn unterwegs. Wenn dann der Wind, auch wie immer, von vorne weht, ist Segeln eher riskant bis unmöglich. Nach der Hälfte des Tages waren wir endlich weit genug von Stockholm entfernt und genossen das traumhafte, ruhige Segeln in den Schären. Angekommen in unserer einsamen Bucht auf Skarpö (zum großen Unmut eines Crewmitgliedes sah man leider einen Steg mit ein paar Booten in der Ferne) wurde das SUP ausgepackt und auf seine maximale Tragfähigkeit hin untersucht. Nachdem bewiesen wurde, dass damit 7 Leute gleichzeitig paddeln können, suchten sich zwei von uns den perfekten Ort zum Cliffdiven. Die anderen zogen es vor, lieber zuzuschauen. Kurz vor Sonnenuntergang startete unser traditioneller Inselspaziergang, welcher wie immer im Sprintmodus hüpfend von Felsen zu Felsen stattfand. Nach dem erfolgreichen Finden von Blaubeeren und dem perfekten Sonnenuntergangsspot fielen wir in die Kojen – Schärenurlaub ist einfach toll.
Unser Ziel am nächsten Tag war eine Bucht, welche die Halbinsel Läskär von Torö trennt, ein Stück nördlich von Landsort. Dort lag unsere Uni schon einmal, weshalb wir uns sicher sein konnten, dass wir dort einen Platz finden. Der Tag verlief ruhig mit Segeln, Navigieren, Kochen und Essen. Als die Frage nach Tiramisu als Dessert kam wurde kurzerhand improvisiert. Das schwedische Gummibrot war ein perfekter Ersatz für das Löffelbiskuit. Eingetunkt in den Kaffeerest vom Morgen und verfeinert mit etwas übriggebliebenem Schmand vom Mittag, sowie einer Prise Zimt entstand ein sterneküchenähnlicher Tiramisuhappen, welcher besser schmeckte als geplant war. Angekommen am Schärenliegeplatz, lag die Herausforderung mal wieder in der Kommunikation. Nachdem die letzten Male der genaue Ort für die Bugleine mit der dort wachsenden Pflanzenart definiert wurde, welches aufgrund mangelnder botanischer Kenntnisse nicht eindeutig war, wurde diesmal ein Stein mit einem Möwenschiss angepeilt. Leider gab es natürlich einige Hinterlassenschaften von Möwen in der Bucht. Der Abend verlief ähnlich dem vorherigen, mit Baden, Inseleroberung und dem x-ten Sonnenuntergang.
Der Dienstag startete mit der geistreichen Erkenntnis, dass die schwedische Küste wie eine Treppe aufgebaut ist. Immer wieder gibt’s ein Almagrundet (ein markanter Leuchtturm wie vor Stockholm) und dann geht es – schupps – ein Stück nach Westen. Nachdem das heutige Almagrundet gerundet wurde (Landsort), segelten wir tiefenentspannt in Richtung des Schärengartens zwischen Norrköping und Västervik. Ziel war die Schäre Gubbö, welche eine schmale, sehr geschützte Bucht bietet. Angekommen im Schärengarten, packte uns die Motivation, ein paar spezielle Manöver, welche wir für die Weltmeisterschaft im Spätsommer benötigen, zu trainieren. So wurde es nach einem entspannten Segeltag doch noch kurz anstrengend, bis routiniert das Anker und Anlegemanöver am Felsen eingeleitet werden sollte. Man könnte meinen, dass nach den vielen Felsliegeplätzen in den letzten Wochen alles reibungslos ablaufen müsste. Ausgerechnet am letzten Ankerplatz wollte jedoch der Anker in dem steilen, schlickigen Grund nicht halten. Zudem bot der Felsen keine geeigneten Spalten für die Schärennägel und die Bäume waren derart instabil, sodass einige schon durch den Wind entwurzelt waren. Mehrere Versuche und eine unfreiwillige Badeaktion mit immensem Unterhaltungswert für unsere Nachbarlieger später, lagen wir dennoch sicher für die Nacht. Das Abendprogramm bestand aus dem Aufrichten von einem bemitleidenswerten, umgekippten Baum (wir glauben fest daran, dass er nicht direkt wieder beim nächsten Windstoß umgekippt ist!!) und dem Besteigen des Inselberges. Von dort hatten wir noch einmal einen wunderschönen Ausblick auf die Inselwelt und einen weiteren traumhaften Sonnenuntergang.
Am nächsten Tag war der Sommer vorbei. Bei einem unangenehmen Halbwind und viel Regen ging es nach Oskarshamn. Wie so oft in Schweden, wirbt jede Stadt mit einer angeblich großartigen Sehenswürdigkeit. Dieses Mal sollte es das längste Sofa der Welt geben. Gespannt strömten wir aus und wurden beim Auffinden einer langgezogenen, einfachen Parkbank mittelmäßig enttäuscht. Größere Unterhaltung bot die weitere abendliche Streckenplanung. Im Kalmarsund gibt es eine schildkrötenförmige Insel mit dem Namen „Blå Jungfrun“. Die Beschreibung im Hafenhandbuch sprach in sichtlich ausgezeichneter Übersetzungsqualität von einem Glücksspiel, an der Insel anzulegen. Am besten solle sich doch ein Crewmitglied opfern, welches das Boot vor der Insel im Wartemodus hält. Weiterhin sei der Ankerboden extrem bockig, sodass der Anker stecken bleibt – für immer – oder einfach herumrutscht. Die weitaus schlimmere Gefahr sei die Gotlandfähre und die Schwalben sind grausam.
Trotz der verlockenden Aussichten auf einen harmonischen Inseltag machten wir am nächsten Tag einen Bogen um die blaue Jungfrau und segelten entlang des Kalmarsunds Richtung Süden. Bei sonnigen und flauen Bedingungen wurde dieses Mal original italienisches Tiramisu bereitet. Optisch deutlich besser gelungen, enttäuschte jedoch der Geschmack durch die Verwendung von übermäßig viel Bittermandelaroma als Ersatz für Amaretto. Kurze Zeit später zog die erste von vielen weiteren Sturm- und Regenfronten über uns hinweg. Nach anfänglichen Versuchen auszureffen, behielten wir das 2. Reff im Groß trotz ständig wechselnden Windbedingungen bei. Bei dennoch unverständlich hoher Geschwindigkeit kreuzten wir in eine ruhige Nacht hinein.
Am nächsten Vormittag erreichten wir Hanö. Gerade noch reichtzeitig, wie wir kurze Zeit später merkten. Der kleine Inselhafen war schon früh voll. Auf Hanö genossen wir unseren letzten Urlaubstag. Nach dem Verspeisen des gefühlt gesamten Eises der Insel (unerwartet riesige und schnell schmelzende Portionen), erkundeten wir die abwechslungsreiche Flora und Fauna der Insel.
Von nun an ging es die letzten Meilen zurück nach Rostock. Geschafft von zu viel Entspannung schlief die Hälfte der Crew den ganzen Freitag durch. So mussten wir uns keine Gedanken um ein Wachsystem machen. Die Schlafenden durften einfach in die Nacht hinein segeln. Zwei entspannte Wachen und ein Essenslieferservice ins Bett später, erreichten wir mitten in der Nacht die Molenköpfe von Warnemünde. Nach so vielen Erlebnissen und traumhaften Tagen auf dem Wasser und den Inseln mit wunderschönen Landschaften sollten wir nun in den turbulenten Stadtalltag zurückkehren. Am Sonntag kamen noch einmal alle, die auch ein Teilstück der letzten 4 Wochen mitgefahren sind, zum Aufräumen, Putzen, Trocknen, Aufessen und Pizza essen zusammen. Jetzt schon vermissten wir das Leben an Bord. Egal ob die Sonne schien oder es in Strömen regnete, ob wir uns mehr oder weniger Wind wünschten, ob wir gegen die Insekten in Nordschweden kämpfen mussten oder durchgefroren und durchnässt die Tage verbrachten, sind wir Dankbar für jeden einzelnen Moment der Sommertour.
Danke, dass das alles durch euch, durch den Verein, unsere Sponsoren und alle anderen Unterstützer möglich ist!